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Interview: Daniela Graf

Dieser Artikel wurde bei 4Nature-Photographers veröffentlicht.

Daniela Graf ist eine herausragende Naturfotografien und hat ihren Arbeitsschwerpunkt auf der Schwäbischen Alb. Vor allem ihre bezaubernden Makro-Aufnahmen und Naturdetails wurden schon mehrfach bei großen Wettbewerbe ausgezeichnet. In diesem Interview gibt sie sehr interessante Einblicke in ihre Arbeitsweise.

Zu deiner Person

Schon seit meiner Kindheit bin ich fasziniert vom Medium Fotografie mit der Möglichkeit, Erlebnisse in Bildern festzuhalten. Aufgewachsen am Rande der wunderschönen Schwäbischen Alb entwickelte sich bei mir gleichzeitig ein enger Bezug zur Natur, was folgerichtig zur Naturfotografie führte.

Ich bin in erster Linie bemüht, ästhetische und, wenn (mir) möglich, kreative Bilder aufzunehmen. Vorwiegend fotografiere ich Makro aber auch sehr gerne kreative oder abstrakte Landschaftsdetails.  Hauptsächlich finde ich meine Motive auf der Schwäbischen Alb und arbeite zusammen mit Joachim Raff an unserem Projekt Alb Licht Bilder.

Neben den wundervollen Momenten in und mit der Natur bereitet mir auch das nicht zu vernachlässigende “Drumherum” wie die Artenbestimmung und ausführliche Recherche zum Motiv Freude. Wünschenswert für mich wäre es, wenn meine Bilder meine Liebe zur Natur transportieren und zum Nachdenken über das Verhältnis zwischen Mensch und Natur anregen würden. Gerade als Naturfotografin wird mir durch Gespräche, Literatur und eigene Beobachtungen bewusst, in welchem Maße Lebensräume kleiner werden oder auch ganz verschwinden. Daher hoffe ich, Menschen durch meine Bilder für die Natur sensibilisieren zu können.

Seit einigen Jahren bin ich Mitglied der GDT (Gesellschaft für Naturfotografie) und bin in der Regionalgruppe 13 Baden aktiv. Seit 2016 bin ich Vollmitglied der GDT.

 

Viele deiner Bilder wurden ja bereits bei großen Wettbewerben honoriert. Wie würdest du deinen Stil und deine Motivsuche beschreiben?

Einen großen Teil meiner fotografischen Entwicklung habe ich wahrscheinlich meinem Architekturstudium zu verdanken.  Obwohl ich nicht unbedingt die beste Entwerferin war, ist von der Gestaltungslehre doch etwas hängengeblieben. Ich vermute, dass meine Bildsprache deshalb sehr reduziert ist und ich gerne weiße Hintergründe einsetze. Ein anderer entscheidender Aspekt im Studium war für mich sicherlich auch, dass die Wichtigkeit des Themas Nachhaltigkeit in Bezug auf die Natur, und der menschliche Umgang mit ihr, häufig im Vordergrund stand.

Überaus dankbar bin ich für den dort vermittelten Umgang mit Kreativität: Ich denke, es ist  elementar wichtig, immer über den Tellerrand zu blicken, interdisziplinär arbeiten und erst einmal keine Denkverbote zuzulassen.  Auch Neugierde ist meiner Meinung von Vorteil, immer zu überlegen, welche Möglichkeiten durch die Situation oder Technik entstehen und was man daraus lernen kann: fotografisch, biologisch oder auch geologisch.

Ich genieße es, die Natur in Ruhe zu beobachten und zu überlegen was mich daran gerade fasziniert. Das können Formen, Farben oder Stimmung sein. Es muss auch, wenn nicht gerade die Projektarbeit im Vordergrund steht, kein spektakuläres oder biologisch interessantes Motiv sein. Das vom menschlichen Auge sehr unterschiedliche „Sehen“  der Kamera, versuche ich nicht als Hindernis zu begreifen, sondern als Vorteil. Bewusst breche ich gern die geltenden Gestaltungsrichtlinien und Technikregeln.

Und ja, auch Langeweile vor Ort beim Fotografieren kann ein guter Motor für kreative Bildideen sein, wenn man sie zulässt und „gezwungen“ ist, aus der vorhandenen unpassenden Situation doch etwas zu machen. Außer draußen in der Natur, können die Bildideen aber auch schon länger im Voraus entstehen.

A star is born
Canon EOS 7D, EF100mm f2.8 L IS, Blende 3.5, ISO 200, 1/30s

 

Dein Schwerpunkt liegt ja in der Makrofotografie. Gibt’s dafür irgendwelche konkreten Gründe?

Wahrscheinlich weil ich in die digitale Spiegelreflexfotografie zunächst ausschließlich mit einem 100mm Makroobjektiv eingestiegen bin. Als Schwabe muss man ja Fehlkäufe vermeiden. Rückblickend denke ich, dass mir diese Beschränkung der Ausrüstung über die ersten fast eineinhalb Jahre fotografisch und gestalterisch unheimlich viel gebracht hat. Auch heute noch mache ich die meisten Bilder mit meinem Makro und bin, wenn ich Schwierigkeiten mit der Umsetzung des Motivs habe, mit dem Objektiv an der Kamera freihand am glücklichsten.

Eine besondere Faszination üben die Makroaufnahmen auf mich aus, da Details sichtbar werden, die dem bloßem Auge beim schnellen Vorbeigehen verborgen bleiben. Für mich ist das immer wie ein Abtauchen in andere Welten, vor lauter unglaublichen Details wie Insektenaugen und Co, kommt es sehr oft vor, dass ich auf meinen Touren nicht wirklich viele Meter zurücklege. Alternativ könnte man auch sagen, dass die Begeisterung auch daher kommen könnte, da ich als Kind vermutlich zu viel „Biene Maja“ geschaut habe 😉

Außerdem sind Makromotive nahezu überall zu finden. Auch von der Tageszeit und der Lichtsituation ist man weitgehend unabhängig. Ich liebe es, nach einem passenden Motiv zu suchen und dafür ein passendes „Werkzeug“ wie z.B. Überbelichtung oder Mitziehen zu finden.

Höhle
Canon EOS 5D Mark III,  EF100mm f2.8 L IS, Blende 5.0, ISO 200, 1/13s

 

Viele deiner Bilder spielen sich ja in einem Abbildungsmaßstab jenseits von 1:1 ab. Welche technischen Tipps kannst du jemandem geben, der dies auch mal probieren möchte?

Eingestiegen bin ich mit einer Kombination des 100er Makros mit einem 50mm 1.8, auch gerne wegen der billigen Kunststoffkonstruktion „Joghurtbecher“ genannt. Verbunden mit einem Retroadapter kommt man damit schon auf einen Maßstab von etwa 2:1. Unter anderem ist auch mein Mohnbild damit entstanden. Nach einem Wechsel auf Vollformat war ich durch Vignettierung und Unschärfen in den Bildecken damit nicht mehr ganz so glücklich und benutze seitdem zwei Vorsatzachromaten (Raynox DCR-150 + DCR-250), auch gerne noch an meiner alten Cropkamera. Diese Art der Makrofotografie bringt Tücken mit sich, wie Dreck und Beschädigungen am Motiv. Auch Reflektionen und natürlich Wind wirken sich deutlich intensiver auf das Foto aus. Fotografiere ich mit geschlossener Blende, geht dies oft nur mit Stativ, obwohl ich ansonsten am liebsten freihand fotografiere. Mit der Zeit lernt man aber auch besser einzuschätzen, welche Belichtungszeiten bei welchem Maßstab, und vor allem ob die Schärfeebene noch von Hand gehalten werden können. Mittlerweile bin ich viel toleranter geworden und verzichte auf das Stativ. Einfach ausprobieren, sich mit viel Ruhe und Geduld herantasten, am besten am Anfang mit Stativ und Fernauslöser. Um das Ganze besser einschätzen zu können, hilft vielleicht ein Ausprobieren im Innenraum auf festem Boden, denn Tritte auf dem Laminat können schon zu Verwacklungen führen. Und dort fehlt auch schon mal der Wind.

Ich bin ein Mohn – holt mich hier raus!
Canon EOS 7D, EF100mm f2.8 L IS, Blende 10, ISO 160, 1/30s

 

Dein fotografischer Schwerpunkt liegt ja auf der Schwäbischen Alb. Gibt es für dich irgendwelche Landschaftsbestandteile, die du als ganz typisch für die Schwäbische Alb bezeichnen würdest?

Ganz charakteristisch ist der Albtrauf zu nennen, an dessen Hängen ich auch tatsächlich mit der Naturfotografie angefangen habe, da ich nicht weit davon entfernt wohne. Die Alb ist grob gesagt eine Hochfläche, die sich an der nordwestlichen Seite schlagartig aus einer Ebene erhebt. Im Bereich dieses  Albtraufs mit einer ungefähren Länge von 180 Kilometern ist die Alb wahrscheinlich am spektakulärsten. Richtung Donau fällt die Ebene dann nur sehr langsam ab. Zwischen Traufober- und -unterkante liegen in der Regel 200 Höhenmeter. Bis auf einzelne Zeugenberge besitzt die Alb keine „eigentlichen“ Bergkuppen.  Der imposante Steilabfall, der durch einige Täler durchschnitten wird, ist innerhalb Deutschlands wohl ein einzigartiger Anblick.

Da ich ja zusammen mit Joachim Raff an unseren „Alb Licht Bildern“  arbeite, haben wir uns intensiv mit den Thema Alb auseinander gesetzt. Die wichtigste Erscheinung der Alb, die auch für diese in vielen Fällen formgebend ist, ist die Verkarstung. Vereinfacht gesagt, wird durch chemische Prozesse, unter anderem mit Beteiligung von Kohlendioxid, das vom Niederschlagswasser aus der Luft und aus dem Boden aufgenommen wird, das eigentliche wasserunlösliche Jurakalkgestein im Boden aufgelöst.  Über Millionen von Jahren sind so viele unterirdische Hohlräume entstanden und haben die Schwäbische Alb zu einer der höhlenreichsten Gegenden Europas gemacht. Wie wir feststellen mussten, ergeben sich fotografisch wie auch technisch durch Höhlenfotografie ganz neue Herausforderungen, angefangen vom Hineinkommen über hohe Luftfeuchtigkeit und Ausleuchtung  etc. Aber es hat wirklich etwas  Besonderes und auch etwas ganz Ursprüngliches, wenn man, zum Teil hunderte Meter, im Untergrund in einer „wilden“ Höhle steckt und ohne Tageslicht jegliches Zeitgefühl verloren geht.

Auch an anderen Stellen macht sich das Karstgebiet Alb bemerkbar: Auf der Albhochfläche gibt es dadurch fast keine Gewässer, und zusammen mit den steinigen Äckern, hat sich der Begriff „Rauhe Alb“ geprägt. In den wenigen Bächen der Schwäbischen Alb bilden sich an vielen Stellen Sinterterrassen und -becken, die sehr fotogen sind. Durch die Bewegung des Wassers und durch Photosynthese von Wasserpflanzen wird der zuvor im Wasser gelöste Kalk wieder fest.

Eine Kulturlandschaft, die durch frühere Viehhaltung entstanden ist, sind die vielen Wacholderheiden: Hier findet man viele Makromotive wie Insekten und Orchideen. Im Bereich der Hangbuchenmischwälder ragen oft die für die Alb typischen Kalkfelsen mit zum Teil alpiner Flora hervor.

Albtrauf
Canon EOS 5D Mark III, EF17-40mm f4 L, Blende 10, ISO 40mm, 1/13, 40mm

 

Und gibt es auch im Tierreich irgendwelche ganz typischen Motive der Schwäbischen Alb?

Richtig typische Arten gibt es hier eher weniger. Die Schwäbische Alb ist eine Ansammlung von vielen unterschiedlichen Lebensräumen und hat eine dadurch bedingte hohe Biodiversität. Außer den vielen Fledermausarten ist der Alpenbock etwas Besonderes. Diese mit bis zu drei Zentimeter Körperlänge großen und auffälligen blauen Käfer mit ihren langen Fühlern haben zur Zeit der Sommerhitze ihre Saison. Wie der Name schon sagt, ist er hauptsächlich im Alpenraum beheimatet. In Deutschland ist er außerhalb der Alpen nur auf der Alb zu finden. Bei der Alpenbockpopulation der Schwäbischen Alb handelt es sich um ein Reliktvorkommen aus der letzten Eiszeit. Die Population konnte sich in die höheren Lagen zurückziehen und so bis heute überleben. Mir macht es unheimlich Spaß die kleinen blauen Kerlchen zu fotografieren. Es ist mein Highlight im Jahreskalender. An geeigneten Stellen sind oft gleich mehrere Exemplare zu finden. Hier ist es auch einfach schön, die Tiere nur zu beobachten. Neben Paarungen und Eiablagen kommt es häufig zu Kämpfen zwischen den etwas größeren Männchen. Ist man mehrmals vor Ort kennt man auch schon langsam seine „Pappenheimer“. An präferierten Sitzstellen, eventuellem scheuen Verhalten und fehlenden Fühlern oder Gliedmaßen sind die einzelnen Alpenböcke voneinander zu unterscheiden.

Alpenbock
Canon EOS 7D, EF100mm f2.8 L IS, Blende 7.1, ISO 500, 1/50s

 

Ein Thema, mit welchem du dich immer wieder auseinander setzt sind Frauen in der Naturfotografie. Welche Erfahrungen hast du dazu gemacht?

Etwas nachdenklich werde ich beim Thema Frauen in der Naturfotografie. Zuerst einmal möchte ich aber den mit Abstand größten Teil der männlichen Naturfotografen lobend erwähnen. Hier herrscht ein ausgesprochen gutes Miteinander bei dem egal ist, wer welches Geschlecht hat!

Über die einzelnen Anekdoten draußen beim Fotografieren, in denen man als Frau, womöglich mit zu kleiner Fotoausrüstung, grundsätzlich erst mal unterschätzt wird und eine gratis Einweisung in die Kamera mit Blende usw. bekommt, kann ich wirklich schmunzeln. Auch wenn ich mich dann doch manchmal frage, wieso diese Vorurteile so in den Köpfen festgefahren sind.

Wenn es allerdings dann um Konkurrenzsituationen in Wettbewerben, größere Projekte etc. geht, kann ich mittlerweile verstehen, wieso in diesen Bereichen nur sehr wenige Frauen unterwegs sind.  Wenn Männer den Eindruck bekommen, dass sie im Vergleich zu Frauen schlechter sind, muss man bzw. Frau, meiner Meinung nach, abwägen ob es den ganzen Ärger wert ist. Man sollte vorher im Blick haben, dass frauenfeindliches Verhalten unter Umständen toleriert werden kann und man auf sich alleine  gestellt ist. Ich hoffe aber, dass in Zukunft trotzdem mehr Frauen den Mut fassen auch in diesen Feldern ihre Bilder zu zeigen, schließlich geht es um die Fotos und da sollte es egal sein, von welchen Geschlecht diese gemacht wurden.

Oft habe ich auch den Eindruck, dass Frauen eine andere Herangehensweise haben und eher die Kreativität und Umsetzung als die Technik oder spektakuläre Tiere im Vordergrund stehen. Ausnahmen bestätigen die Regel, es gibt natürlich auch einige hoch erfolgreiche klassische Tierfotografinnen und hervorragenden „Blümchen“-Fotografen 😉

 

Und zum Abschluss noch ein kleiner Ausblick: Welche fotografischen Projekte und Ziele hast du dir für die Zukunft vorgenommen?

Das Alb Licht Bilder Projekt wird definitiv in nächster Zeit eine wichtige Rolle spielen. Ich bin sehr dankbar, durch die tiefere  Auseinandersetzung mit dem Gebiet, meine Heimat und die Pflanzen- und Tierwelt noch besser kennengelernt zu haben. Je mehr wir recherchieren, desto länger wird die Liste an möglichen Motiven. Es ist quasi ein Fass ohne Boden, weil man immer auf neue Geschichten oder Besonderheiten stößt. Durch die Fotografie am Projekt ist mir noch klarer geworden, wie schön, vielfältig und leider auch bedroht und daher schutzbedürftig die Natur direkt vor der eigenen Haustüre ist. Auch hat die Projektarbeit dazu geführt, dass ich mich fotografisch breiter aufgestellt  und viel dazugelernt habe und das hoffentlich auch weiter werde.

Persönlich arbeite ich immer daran, die vielen Fehler in meinen Bildern abzustellen. Wahrscheinlich ist das der Preis des Besserwerdens, ich bin sehr selbstkritisch und daher sehr häufig mit meinen Fotos unzufrieden. Weiter möchte ich mich von den vielen herausragenden Bildern und Projektarbeiten anderer FotografenInnen inspirieren lassen.

Vielen Dank für das ausführliche Interview, Daniela!

 

Kontaktdaten und Links:

www.naturfoto-graf.de

https://www.instagram.com/danielagraf_photography

www.alblichtbilder.de

https://m.facebook.com/alblichtbilder/

https://www.instagram.com/alblichtbilder/

 

Das Interview führte Stefan Imig